03. December 2012

Viele aktive Gene bringen hohe Erträge Viele aktive Gene bringen hohe Erträge

Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Frank Hochholdinger findet einen Ansatz zur Lösung eines alten Rätsels der Pflanzenzüchtung.

Hybrid-Pflanzen bringen deutlich höhere Erträge als reinerbige Sorten. Das wissen Pflanzenzüchter seit rund 100 Jahren und nutzen diesen als „Heterosis“ bezeichneten Effekt für reiche Ernten. Bislang rätselte die Wissenschaft darüber, welche molekularen Prozesse hinter diesem Phänomen stecken. Forscher der Universität Bonn haben nun mit Kollegen aus den USA und Tübingen an Maiswurzeln einen möglichen Mechanismus entschlüsselt. In den Mischlingspflanzen sind mehr Gene aktiv als in reinerbigen Sorten. Dies könnte Wachstum und Erträge der Maispflanzen steigern. Die Ergebnisse hat nun die renommierte Fachzeitschrift „Genome Research“ veröffentlicht.

Untersuchen Maispflanzen im Gewächshaus
Untersuchen Maispflanzen im Gewächshaus - Dr. Anja Paschold und Prof. Dr. Frank Hochholdinger von der Universität Bonn. © Barbara Frommann/ University of Bonn
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Die Weltbevölkerung wächst immer weiter und muss ernährt werden. Dabei spielen Getreide eine wichtige Rolle, weil sie mehr als 70 Prozent der Nahrungsenergie für die Menschen bereitstellen. Ihre Erträge lassen sich deutlich steigern, wenn Pflanzenzüchter den Heterosis-Effekt nutzen: „Mischlinge – auch Hybride genannt – sind deutlich leistungsfähiger als die reinerbigen Sorten“, sagt Prof. Dr. Frank Hochholdinger, Inhaber des Lehrstuhls für funktionelle Genomik der Nutzpflanzen an der Universität Bonn. Bei Getreidearten wie Mais oder Roggen kann der Heterosis-Effekt sogar zu einer Verdopplung des Ertrags führen. So ist ein Maiskolben einer Hybridpflanze häufig viel größer als der einer reinerbigen Pflanze.

Molekulare Ursachen lagen im Dunkeln

Bei der Herstellung reinerbiger Linien sinken die Erträge von Generation zu Generation in Folge der sogenannten Inzuchtdepression. Deshalb sind die meisten Getreidesorten in Europa und den USA inzwischen Hybride. Warum sind aber die Mischlingspflanzen leistungsfähiger als ihre reinerbigen Verwandten? „Seit mehr als 100 Jahren ist dieser Effekt bekannt – die molekularen Ursachen blieben bis jetzt aber im Dunkeln“, berichtet Erstautorin Dr. Anja Paschold, Mitarbeiterin von Prof. Hochholdinger am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz. Die Ergebnisse des Forscherteams liefern nun auf molekularbiologischer Ebene Argumente für die bereits 1917 formulierte Komplementationshypothese, nach der sich die vorteilhaften Komponenten des Erbguts der beiden reinerbigen Eltern in Mischlingen gegenseitig ergänzen.

Abschriften zeigen, wie aktiv ein Gen ist

Die Forscher der Universität Bonn verglichen mit ihren Kollegen der Iowa State University und des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie Tübingen in den Wurzeln von jungen Maispflanzen aus reinerbigen und mischerbigen Pflanzen die Genaktivität. Die Gene codieren die Baupläne für wichtige Proteine (Eiweiße). Braucht die Pflanze ein bestimmtes Protein, wird von der DNA im Zellkern eine Abschrift des zugehörigen Gens erstellt. Diese Gen-Kopie – ein sogenanntes Transkript – wird von der Zelle zur Produktion des betreffenden Eiweißes verwendet. „Es ist immer dann ein Transkript vorhanden, wenn das entsprechende Gen aktiv ist“, erläutert Prof. Hochholdinger das Prinzip. Die Forscher suchten nun gezielt danach, von welchen Genen eine solche Abschrift vorlag.

Forscher arbeiteten mit kriminalistischen Methoden

„Unsere Arbeitsweise ähnelt der von Kriminalisten, die versuchen Fingerabdrücke - die Transkripte - einer Verbrecherkartei - den bekannten Genen - zuzuordnen“, schildert Prof. Hochholdinger. Wird ein Fingerabdruck gefunden, ist das der Beweis, dass das zugehörige Gen in der Maiswurzel aktiv ist. „Das verhält sich wie mit den Fingerabdrücken, die die Polizei am Tatort findet“, erläutert der Biologe. „Die Fahnder wissen dann auch, welcher Täter hier aktiv gewesen sein muss.“ Bei der Suche nach den Gen-Abschriften halfen Hochdurchsatz-Sequenzierautomaten am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. „Von den insgesamt 39.656 bekannten Mais-Genen waren sowohl bei den reinerbigen als auch bei den mischerbigen Pflanzen fast 90 Prozent aktiv“, berichtet Dr. Paschold.

In den Hybriden sind zusätzlich einige hundert Gene aktiv

Es zeigte sich jedoch, dass in den Hybriden noch einige hundert Gene zusätzlich angeschaltet waren. Bei der Vererbung werden immer gleichermaßen Anteile von Vater und Mutter weitergegeben, die jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. In den Mischlingen kommen diese verschiedenen Anlagen zusammen und werden dann gemeinsam aktiv. „Es handelt sich bei den etwa 350 bis 750 zusätzlich aktiven Genen im Vergleich zu den etwa 34.000 aktiven Genen um eine vergleichsweise geringe Zahl“, sagt Prof. Hochholdinger. „Dennoch könnte der individuell vermutlich sehr geringe Beitrag jedes dieser Gene in Summe für den Wachstumsschub bei den Hybriden sorgen.“

Großer praktischer Nutzen für die Pflanzenzüchtung

Die Forscher wollen nun mehr darüber herausfinden, welchen Vorteil die zusätzliche Genaktivität den Hybriden bringt. Die Erkenntnisse des Forscherteams haben absehbar einen großen praktischen Nutzen. Bislang können Pflanzenzüchter nur aufwändig herausfinden, welche der unzähligen Kombinationen der tausenden verschiedenen Maislinien Hybride mit hoher Leistungsfähigkeit hervorbringen. „Unsere Erkenntnisse könnten dazu beitragen, eine Vorauswahl zu treffen und damit den Züchtungsaufwand geringer zu halten“, sagt Prof. Hochholdinger.

Publikation: Complementation contributes to transcriptome complexity in maize (Zea mays L.) hybrids relative to their inbred parents, Genome Research, DOI: 10.1101/gr.138461.112

Podcast zum Thema:
http://www.uni-bonn.tv/podcasts/20120802_ST_Hochholdinger.mp4/view

An Maiswurzeln erforschten Dr. Anja Paschold und Prof. Dr. Frank Hochholdinger, warum Hybrid-Pflanzen deutlich höhere Erträge bringen als reinerbige Sorten.
An Maiswurzeln erforschten Dr. Anja Paschold und Prof. Dr. Frank Hochholdinger, warum Hybrid-Pflanzen deutlich höhere Erträge bringen als reinerbige Sorten. © Barbara Frommann/ University of Bonn
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